In meinen Trainings und Workshops für Diversity, Equity & Inclusion durfte ich schon viele positive Momente und Veränderungen erleben. Am meisten freue ich mich über die oft zahlreichen Aha-Momente, die die Teilnehmer*innen mit mir teilen und ihre Motivation, ihre Wahrnehmung zu öffnen, neue Perspektiven einzunehmen und aktiv etwas gegen Diskriminierung zu unternehmen.
Bei meinem Engagement für und der Freude an der Zusammenarbeit mit Menschen in Diversity-Trainings habe ich gleichzeitig die Grenzen und Herausforderungen solcher Programme auf dem Schirm. Deshalb ist es mir in der Arbeit mit meinen Auftraggeber*innen wichtig darüber zu sprechen, wann Diversity-Schulungen im Gesamtkontext der Organisation erfolgreich sein können. Diversity-Trainings sind eine von vielen nützlichen Maßnahmen, doch sie entfalten ihre volle Wirkung nur, wenn sie über eine reine Sensibilisierung hinausgehen und in eine umfassende DEI-Strategie eingebettet werden. In diesem Beitrag möchte ich dir einen Überblick darüber geben, was gute Diversity-Trainings leisten können, welche Limitierungen es gibt und wann sie wirklich nachhaltig sind.
Was sind Diversity-Trainings und Diversity-Schulungen?
Diversity-Trainings oder -Schulungen sind Qualifizierungsmaßnahmen, die darauf abzielen, das Bewusstsein für Diversität in Unternehmen zu schärfen, Diskriminierungsmechanismen zu erkennen und aufzulösen und eine inklusive Arbeitsumgebung zu fördern. Dabei kommt eine Vielzahl von Themen infrage, je nach Fokus und Zielgruppe. Hier ein paar Beispiele für Diversity-Trainings:
- Grundlagentrainings zu DE&I: Einführung in die Konzepte von Diversity, Equity und Inclusion.
- Intensivschulungen zu einzelnen Dimensionen: Fokus auf spezifische Dimensionen von Diversität wie z.B. Geschlecht & geschlechtliche Identität, Alter, Religion & Weltanschauung ethnische Wurzeln & Zugehörigkeit, sexuelle Orientierung, psychische & physische Fähigkeiten und soziale Herkunft.
- Unconscious Bias: Erkennen und Abbauen von unbewussten Vorurteilen.
- Interkulturelle Kompetenzen: Verbesserung des Verständnisses und der Zusammenarbeit zwischen verschiedenen kulturellen Hintergründen.
- Inclusive Leadership: Entwicklung von Führungsqualitäten, die Diversität fördern und ein psychologisch sicheres, inklusives Umfeld schaffen.
- Weitere spezielle Themen: z.B. Entwicklung einer Diversity-Strategie oder Diversity-Management.
Nutzen von Diversity-Trainings.
Diversity-Trainings haben zahlreiche positive Effekte und Vorteile für Organisationen, die weit über die reine Wissensvermittlung hinausgehen:
Sensibilisierung: Diversity-Schulungen unterstützen die Teilnehmer*innen darin, sich mit verschiedenen Dimensionen von Diversität auseinanderzusetzen. Ein besseres Verständnis für die Herausforderungen von marginalisierten Personengruppen und die Wertschätzung von Unterschiedlichkeit trägt langfristig zu einer inklusiven Unternehmenskultur bei, in der jede*r das volle Potenzial einbringen kann.
Verständnis von Vorurteilen und Stereotypen: Das Wissen darüber, was kognitive Verzerrungen sind und wie stereotype Denkmuster entstehen, hilft den Lernenden, diese bei sich selbst zu erkennen und Vorurteile abzubauen.
Verbesserte Kommunikation und Konfliktlösung: Trainings fördern die interkulturelle Kommunikation und Zusammenarbeit im Team. Teilnehmer*innen lernen, wie sie effektiv mit Menschen unterschiedlicher Backgrounds kommunizieren und Konflikte konstruktiv angehen können.
Inklusives Verhalten: Durch interaktive Übungen wird inklusives Verhalten am Arbeitsplatz gefördert. Das Ziel von inklusivem Verhalten ist es, ein diskriminierungsfreies und chancengerechtes Umfeld zu schaffen, in dem vielfältige Perspektiven genutzt werden und in dem sich alle Mitarbeiter*innen wohlfühlen.
Rechtliche Aspekte: Teilnehmer*innen erhalten Informationen über relevante Gesetze wie z.B. das deutsche Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG). Unternehmen werden besser darauf vorbereitet, Antidiskriminierungsrichtlinien und gesetzliche Anforderungen zu erfüllen.
Erkenntnisse zu positiven Effekten von Diversity-Trainings.
Verschiedene Studien zeigen die positiven Effekte von Diversity-Trainings auf. Laut einer Studie der Harvard Business Review (2018) sind interaktive und praktische Trainings besonders effektiv. Teilnehmer*innen solcher Trainings berichten von einem erhöhten Bewusstsein für Diversität und einer verbesserten Fähigkeit, mit vielfältigen Teams zu arbeiten.
Trainings, in denen Interventionen der Perspektivübernahme eingesetzt werden, tragen am wirksamsten zum Abbau von Vorurteilen bei. Das sog. Perspective Taking kennst du vielleicht aus der Verhandlungstheorie: Um erfolgreich zu verhandeln, versucht man sich in die Lage des Gegenübers hineinzuversetzen, dessen Einstellungen und Motive zu verstehen und woher diese kommen. Linda Bacock und George Loewenstein stellten in ihren Studien fest, dass Perspective Taking die Entscheidungsfindung positiv beeinflussen kann. Personen, die sich aktiv in die Perspektive anderer hineinversetzen, sind eher in der Lage, faire und ausgewogene Entscheidungen zu treffen.
Die Perspektivübernahme hilft, kognitive Verzerrungen zu reduzieren, die insbesondere der Aufrechterhaltung des eigenen positiven Selbstbildes dienen (Self Serving Bias), da Menschen dadurch in der Lage sind, über ihre eigenen Interessen hinauszuschauen und die Interessen anderer zu berücksichtigen.
Ein anderes interessantes Phänomen ist der Spillover-Effekt. Der Spillover-Effekt bezeichnet das Phänomen, dass die Auswirkungen einer Maßnahme oder eines Verhaltens über den ursprünglichen Kontext hinaus in andere Bereiche übergreifen. Die Ergebnisse aus den Untersuchungen von Edward H. Chang et. al. deuten darauf hin, dass positive Spillover-Effekte auch Zusammenhang mit Diversity-Trainings eintreten können. Teilnehmer*innen zeigten nach einem Diversity-Training mit dem Fokus auf geschlechtsspezifische Vorurteile, eine positive Veränderung in Einstellungen und Verhalten gegenüber Mitarbeiter*innen, die ethnischen Minderheiten angehörten.
Grenzen und Limitierungen von Diversity-Trainings.
Bei allen positiven Aspekten, die effektiv aufgesetzte Programme entfalten können, sollten die Erwartungen an die Ergebnisse realistisch sein. Diversity-Trainings haben Grenzen und sind kein Allheilmittel: Als punktuelle Maßnahmen sind sie nicht geeignet, um tief verwurzelte strukturelle Ungleichheiten auflösen. Diversity-Trainings ohne Commitment der Geschäftsleitung oder die hauptsächlich aus Compliance-Motiven eingeführt werden, werden keinen nachhaltigen Effekt haben und eher einen Platz als Feigenblatt in der Unternehmensgeschichte haben.
Ohne ergänzende Maßnahmen und eine langfristige Strategie bleiben ihre Wirkungen begrenzt. Zudem können verpflichtende Trainings zu Widerständen führen, wie eine Studie von Dobbin und Kalev (2016) zeigt.
Diversity-Trainings haben dann einen wirklich nachhaltigen Effekt, wenn sie Empathie, Verständnis und inklusives Verhalten fördern und mit einer umfassenden DEI-Strategie verzahnt sind.
Tipps für effektive Diversity-Trainings.
1. Freiwilligkeit fördern
Freiwillige Teilnahme erhöht die Offenheit und Wirksamkeit der Trainings. Mitarbeiter*innen, die sich aus eigenem Antrieb fortbilden, sind motivierter und engagierter. Freiwilligkeit trägt dazu bei, Widerstände und Backlash-Effekte zu reduzieren.
2. Interaktivität sicherstellen
Nutze interaktive Methoden wie Rollenspiele, Fallstudien und Gruppenarbeiten. Diese Ansätze fördern das aktive Lernen und die Selbstreflexion.
3. Kontinuierliches Lernen
Kombiniere Trainings mit regelmäßigen Workshops und Reflexionssitzungen. So bleibt das Thema präsent und die Mitarbeiter*innen können ihre Kenntnisse kontinuierlich vertiefen. Learning Journeys, die über einen längeren Zeitraum mit unterschiedlichen Formaten angelegt sind, unterstützen den nachhaltigen Lerntransfer.
4. Führungskräfte einbeziehen
Führungskräfte sollten aktiv teilnehmen und als Vorbilder agieren. Ihr Engagement ist entscheidend für die erfolgreiche Umsetzung von DEI-Initiativen.
5. Langfristige Strategien
Entwickelt eine langfristige DEI-Strategie für Organisation mit klaren Zielen und messbaren Erfolgen. Die Diversity-Trainings werden dann entlang der Strategie ausgerichtet. Dabei spielt die Interaktion außerhalb der Trainings eine entscheidende Rolle: Mitarbeiter*innen erfahren den größten Lerntransfer, wenn sie sich aktiv in Inititativen wie z.B. Mentoring-Programme einbringen, die Elemente einer langfristigen Strategie sind.
6. Erfolgsmessung
Definiere klare Erfolgskriterien und messe die Fortschritte regelmäßig. Überlege, welche Effekte über welchen Zeitraum eintreten sollen und passe die Maßnahmen entsprechend an.
7. Durchführung von Programmen in A/B-Tests
Teste unterschiedliche Ansätze und evaluiere ihre Wirksamkeit durch A/B-Tests. So kannst du herausfinden, welche Maßnahmen am besten funktionieren.
8. Nutzen von Verhaltensdesign
Integriere Prinzipien des Verhaltensdesigns, um nachhaltige Verhaltensänderungen zu fördern. Kleine Änderungen im Arbeitsumfeld und täglichen Geschäft können große Wirkungen erzielen.
Fazit.
Diversity-Trainings sind ein wertvolles Instrument, um das Bewusstsein für Diversität und ihren Vorteilen zu schärfen. Mit der positiven Haltung und Motivation der Teilnehmer*innen, die eigene Wahrnehmung kontinuierlich zu hinterfragen und Verhalten anzupassen leisten Diversity-Trainings einen wertvollen zu einer inklusiven Unternehmenskultur. Sie bieten viele Vorteile, sind in ihrer Wirkung gleichzeitig limitiert, wenn sie isoliert betrachtet werden. Einen nachhaltigen Effekt erzielen sie als ein Element im Rahmen einer umfassenden Strategie, die kontinuierliche Maßnahmen und das Engagement der gesamten Organisation umfasst.
Möchtest du mehr darüber erfahren, wie du Diversity-Trainings in deinem Unternehmen erfolgreich implementieren kannst? Dann sende mir eine Nachricht und lass uns gemeinsam über Ideen sprechen, wie eine maßgeschneiderte Lösung für deine Organisation aussehen kann.
Quellen:
McKinsey & Company: Diversity Wins: How Inclusion Matters, 2020.
Dobbin, Frank, and Alexandra Kalev: Why Diversity Programs Fail, Harvard Business Review, 2016.
Edward H. Chang et al. : The mixed effects of online diversity training, 2019
Iris Bohnen: What Works, Verlag C.H. Beck, 2016
Linda Babcock, George Loewenstein: Explaining Bargaining Impasse: The Role of Self-Serving Biases, Journal of Economic Perspectives, 1997